Erklärung der Bahá’í-Gemeinde Deutschland
mögliche menschenrechtsfeindliche Urteile im Iran gegen religöse Minderheiten
Noch im Februar wurde mehrmals angekündigt, dass die Bahá'í, die seit Frühjahr 2008 im Teheraner Evin-Gefängnis festgehalten werden, in der "nächsten Woche" abgeurteilt werden sollen. So äußerten sich laut Agenturmeldungen Teherans stellvertretender Staatsanwalt, Hassan Haddad, am 11. Februar ("next week") sowie der Sprecher der Justiz, Ali-Reza Jamshidi, am 17. Februar ("within one week"). Gerüchte um einen terminierten Aufschub können von unserer Seite nicht bestätigt werden.
Anstelle des angekündigten Prozessbeginns wurden bislang lediglich verschiedene Erklärungen veröffentlicht. Die Stellungnahmen dienten dazu, die Anklagepunkte "Spionage für Israel", "Beleidigung religiöser Gefühle" und "Propaganda gegen die Islamische Republik" zu bekräftigen. Dazu zählte auch eine Kritik an den internationalen Bemühungen, vor allem durch die Europäische Union und die USA, entweder für eine Freilassung der nunmehr seit neun Monaten inhaftierten Bahá'í oder für ein faires, rechtsstaatliches und transparentes Verfahren Sorge zu tragen. Zugleich wurde erklärt, die sieben führenden Bahá'í hätten ihre Schuld eingestanden.
Hierzu erklären wir:
Die sieben Mitglieder des informellen Führungsgremiums der iranischen Bahá'í-Gemeinde ("Yaran") gleichwie alle Mitglieder von informellen Führungsgremien auf lokaler Ebene ("Khademin") sind damit beschäftigt, alle Angelegenheiten der religiösen Minderheit der Bahá'í zu koordinieren. Dazu gehören Angelegenheiten wie Geburten, Hochzeiten und Todesfälle wie auch die individuelle Förderung der Gläubigen im Bildungs- und Arbeitsbereich, nachdem es den Bahá'í verboten ist, an iranischen Hochschulen zu studieren und eine Vielzahl von Berufen auszuüben. Daneben fördern sie die Entwicklung der Gemeinde als Akteur der iranischen Zivilgesellschaft im sozialen und humanitären Bereich. Diese Tätigkeiten haben die Führungsgremien der iranischen Bahá'í seit nunmehr zwanzig Jahren mit Wissen der nationalen und lokalen Behörden unternommen; sie nun als "illegal" zu bezeichnen, ist deshalb abwegig.
Die inhaftierten Bahá'í werden wahrheitsgemäß auf Nachfragen der Generalstaatsanwaltschaft über ihre oben beschriebene Tätigkeiten geantwortet haben. Obgleich die Generalstaatsanwaltschaft ihre Anklagepunkte nicht genauer spezifiziert hat, lässt sich Folgendes mutmaßen:
Die vorgebrachten Anklagepunkte weisen wir entschieden zurück. Die iranische Bahá'í-Gemeinde hat zu keinem Zeitpunkt gegen die iranische Regierung oder die Interessen des Landes gearbeitet. Vielmehr führt die Identifikation des religiösen mit dem staatlichen System in der Islamischen Republik Iran dazu, dass die bloße Existenz der Bahá'í als nachkoranische Religionsgemeinschaft als immanente Bedrohung der "Herrschaft der Rechtsgelehrten" wahrgenommen wird.
Wir nehmen nicht hin, dass der Generalstaatsanwalt derartige Äußerungen öffentlich kundtut, den inhaftierten Bahá’í demgegenüber keine derartige öffentliche Stimme in Form eines Rechtsbeistandes zugestanden wird. Wir weisen dieses Verfahren entschieden zurück und rufen stattdessen die Forderung der deutschen Bundesregierung in Erinnerung, wonach die iranische Regierung aufgefordert ist, "sehr rasch ein Verfahren nach internationalen Standards oder die Freilassung einzuleiten".
Büro für Außenbeziehungen des
Nationalen Geistigen Rates der Bahá’í in Deutschland
Berliner Vertretung
Jägerstr. 67-69
10117 Berlin
Report von Christian Zimmermann über die Lage der Bahai finden Sie unter "Strangulierung einer Religion" als pdf Datei bei www.gfbv.de